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Irak Mittlerer Osten

„Kindern ein neues Leben geben“

Die Psychologin und Logopädin Sabreen Al-Qaisi, 31, hat ein Sprachinstitut für hörgeschädigte Kinder gegründet.

Aufgezeichnet von Azhar Ali Hussein

„Psychologische Unterstützung für Menschen ist im heutigen Irak dringend nötig, aber sie wird offiziell nicht gefördert oder wenigstens wertgeschätzt. Es ist sehr schwer als Psychologe Arbeit zu finden. Deshalb wollte ich nach meinem Studium 2014 nicht ewig auf ein Jobangebot warten. Doch ich brauchte Arbeit, weil ich als einzige die Familie ernähren muss und die älteste Tochter meiner Mutter bin. So habe ich mich entschlossen, mich zu spezialisieren, um mit Menschen zu arbeiten, die nicht sprechen können. 

Im Internet, in verfügbaren Büchern und in Kursen auch außerhalb des Irak habe ich mich fortgebildet und spezialisiert. Irgendwann war klar, ich will gehörlosen oder ertaubten Kindern dabei helfen, Geräusche wahrzunehmen, zu sprechen, sich selbst zu vertrauen und ach mit Gleichaltrigen zu kommunizieren.

Das Projekt beginnt klein

Mein Projekt  des „Sabreen Speech Institute“ begann sehr klein. Meine Mutter lieh mir etwas Geld, damit konnte ich in  Bagdad eine Wohnung mit einem Einzelzimmer und einem Warteraum mieten und einfache Möbel hineinstellen. Ich begann mit drei Kindern zu üben, die seit Geburt vollständig taub waren oder deren Innenohr später irreparabel geschädigt war. Mit Hilfe einer Hörprothese, dem sogenannten Cochlea-Implantat,  können diese Kinder lernen, Geräusche wahrzunehmen – und zu sprechen.

Das dauert und muss trainiert werden. aber wenn ein kleiner Patient zum ersten Mal „Vater“ oder „Mutter“, sagt, dann ist das für die Eltern und für mich ein überwältigendes Glücksgefühl.  Wer die Natur des Klangs nicht kennt, kann  deshalb nicht mit der Gesellschaft kommunizieren kann. Wenn dieser Mensch dann zu sprechen beginnt, so ist es, als ob man den Kindern ein neues, anderes Leben gibt. Sie beginnen neu – hören, lernen, lachen, lesen, freuen sich, finden Freunde. 

Anfangs hatte ich vor allem daran gedacht, mit der Arbeit des Institutes für meine Familie und mich eine materielle Existenzgrundlage zu schaffen. Ich hatte  große finanzielle Hindernisse zu überwinden. Auch die Registrierung des Institutes beim Ministerium war kompliziert. Aber die menschliche Dimension des Projektes hat mich immer wieder motiviert weiterzumachen. Es macht mich einfach glücklich, wenn ich das Erstaunen und die Freude einer Mutter sehe, die ihr Kind  erstmals sprechen hört.

Rund 50 Kinder werden heute betreut

Nach den ersten Erfolgen begann ich für das Institut zu werben, mehr Kinder profitieren von unserer Arbeit. Heute befindet sich das jetzt besser ausgestattete „Sabreen Speech Institute“ im Rusafa-Distrikt, östlich vom Tigris. Drei Trainer, die vorher arbeitslos waren, und ich betreuen rund 50 Kinder im Alter von drei bis 14 Jahren. 

Inzwischen habe ich einen speziellen Lehrplan für Kinder ohne  Sprache entwickelt, der in meisten Fällen zu Erfolgen beim Spracherwerb führt. Nun träume ich von einer Fachschule für Hörgeschädigte. Vielleicht wird es die einzige für Kinder im Irak sein. Ich arbeite daran.